Ich habe für heute etwas ganz besonderes organisiert. Aktuell sind wir in Minsk und haben unser Fahrzeug im Hinterhof eines Hotels geparkt. Wir geniessen ein wenig das Stadtleben dieser 2 Mio. Metropole, doch heute geht es wieder ganz weit zurück ins Land, fast in die Nähe unseres Grenzübertrittes. Wir warten also um 8 Uhr vor unserem Hotel, um von Artem abgeholt zu werden. Mit kleiner Verspätung fährt ein Auto vor. Hier steigt eine Dame aus, läuft auf uns zu und hält gleichzeitig ein A4 Blatt in die Luft, auf welchem unsere Namen stehen. Ksenia, die Frau von Artem begrüsst uns freundlich. Sie wird uns heute ebenfalls begleiten und mit ihren guten Englisch-Kenntnissen alles bestmöglichst versuchen zu erklären. Etwas aufgeregt erklärt sie uns, dass wir die ersten westlichen ausländischen Gäste sind.
Es geht los und wir fahren über die Autostrasse aus Minsk heraus, bis wir etwas ausserhalb an einer Tankstelle anhalten, wo wir auf ihren Mann und dessen Freunde warten. Total nervös seine ersten westlichen Touristen zu begrüssen und gestresst, dass es gerade heute zu einer Verspätung gekommen ist, begrüsst uns Artem in gebrochenem Englisch und entschuldigt sich mehrfach. Nun geht es weiter Richtung Lida, eine gut 2-stündige Autofahrt zurück, wo wir vor einigen Tagen her gekommen sind. Dort befindet sich die Schmallspurbahn des Torfabbaus, welche wir heute mit Artem und seinen Freunden befahren werden.
Dort angekommen wird das Gefährt abgeladen und alles für die Fahrt vorbereitet. Wir werfen noch einen Blick in die grösseren Wagons, die sie für Touristengruppen brauchen und anderes Rollmaterial. Doch für uns geht es heute nicht im grossen Zug weiter, sondern mit einem alten, kleinen Trolley, welcher Artem eigenhändig restauriert hat und erst vor kurzem fertig geworden ist. Ein ganz spezielles Erlebnis erwartet uns. Während wir auf das „Okey“ des Stationsleiters warten, zeigt uns Artem noch die Werkstätten, wo der Unterhalt des Rollmaterials stattfindet.
Und dann geht es endlich los, wir setzen uns auf den kleinen Trolley und der neue Honda-Motor wird gestartet. Wir fahren in rasanter Geschwindigkeit über die Geleise Richtung Wald und Torffelder. Artem strahlt vor Freude und sein Grinsen ist richtig anstecken. Etwas später folgen uns seine Kollegen, die ihr Gefährt selbst gebastelt haben, betrieben mit einem Generator und zwei alten Waschmaschinenmotoren 🙂
Irgendwo im Nirgendwo bei einer Weiche machen wir eine Pause und Ksenia offeriert uns ein kleines Picknick mit selbst gemachten Sandwichs, Keksen, Tee und Kwas, ein russisches Getränk, dass aus Roggenbrot hergestellt wird. Der Geschmack ist gewöhnungsbedürftig, aber nach einigen Schlucken lieben wir es. Wir plaudern gemütlich und bestaunen die beiden Trolleys, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auch der einsetzende Regen trübt nicht unsere Stimmung und nach gemütlicher Pause geht die rasante Fahrt weiter.
Artem lotst uns bis ans Ende der Geleise, mitten auf einem Torffeld weit weg vom Bahnhof wo wir gestartet sind. Hier sind die Geleise temporär direkt auf dem Torf verlegt, um die Züge zu beladen. Auch können wir die Maschine besichtigen, mit welcher die Gleise direkt verlegt werden. Wir haben beide ein riesen Dauergrinsen im Gesicht. Auch ich darf teilweise ans Steuer oder besser gesagt an den Gas- und Bremshebel.
Kurz vor der Rückfahrt bemerkt Artem, dass die Bremsen schwächer werden. Eine Schraube zum Bremsklotz ging wohl verloren. Fix wird diese mit einem Stück Draht ersetzt und weiter geht der Ritt, bis wir auf seine Kollegen treffen. Diese stecken fest, weil sich bei ihnen eine Radhalterung verbogen hat und somit ihr Gefährt nicht mehr sauber auf den Schienen sitzt. Mit geschickter Hebelwirkung und einem grossen Stein wird auch dieses Problem kurzerhand behoben und es geht weiter. Der Regen kommt erneut auf, diesmal ziemlich stark. Wir verkriechen uns unter eine Blache, der Wind brausst uns um die Ohren, doch das Grinsen findet noch immer kein Ende. Trotzdem machen wir Halt bei einem Bauarbeiter-Container der Torfarbeiter, wo wir uns ein wenig aufwärmen bis der Regen etwas nachgelassen hat.
Später zurück bei der Station, führt uns der Stations- bzw. Produktionsleiter noch voller Stolz durch die kleine Fabrik, in der das Torf zu Blöcken verarbeitet wird. Wir fühlen uns geehrt, denn eigentlich ist diese Fabrik für Touristen nicht zugänglich und zudem wäre ausgerechnet heute auch noch der freie Tag des Produktionsleiters. Wir bedanken uns vielmals beim Produktionsleiter und bei Artem, dass uns dies ermöglicht wurde!
Kurz darauf sind auch alle Utensilien wieder im Fahrzeug und auf dem Hänger verstaut und wir steigen wieder zu Artem ins Auto. Wir fahren noch zu einer verlassenen Militärstation der Sovjets. Dort wo früher Atom-Raketen gelagert wurden wachsen nun Pilze oder verfallen die Gebäude. Ich und Artem ziehen gemeinsam durch die Gebäude, auf der Suche nach verborgenen Schätzen oder tollen Fotomotiven. Draussen wird es derzeit schon langsam dunkel. Erst spät in der Nacht kommen wir wieder beim Hotel an, wo uns Ksenia zu unserer vollkommenen Überraschung noch eine Tasche mit lokalen Produkten aus Belarus überreicht. Wir bedanken uns für diesen wirklich aussergewöhnlichen und persönlichen Ausflug, der uns noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Vielen Dank Artem & Ksenia !
Wollt Ihr auch einen tollen Trip? Dann kontaktiert Artem & Ksenia über Ihre Website www.750mm.by
Martin
Hallo,
heute mal wieder nachgelesen. Wirklich schöne Berichte. Ich sehe es geht Euch gut und das freut mich.
Ich werde nächstes Jahr wieder eine längere Tour alleine mit Zelt machen. Wohin? Tja, ich weiß es schon in etwa, habe da ein paar Flausen im Kopf. Ich hoffe nur nicht, das ich gleich da bleibe und nicht wieder zurückfahre. Mal schaun.
Dieses Jahr sind noch ein paar kürzere Touren auf dem Plan.
Liebe Grüße
Martin